Warum ich Koch wurde

Von Tomoko Kosaka
Warum ich aus Japan geflüchtet bin
Wir betrieben ein Restaurant mit ökologischem Lebensmittel in Sendai, 100 km von AKW Fukushima Daiichi entfernt. Wir hatten zufriedene Kundschaft und das Geschäft lief sehr gut, bis sich durch das Erdbeben am 11.3. alles veränderte. Wir erlitten direkte Auswirkungen des Erdbebens, vor dem Tsunami konnten wir glücklicherweise flüchten. Aber viele unserer Mitarbeiter haben ihr Elternhaus verloren, oder es stand sehr dicht an der Evakuierungszone wegen Strahlenkontamination. Überall um uns herum waren die Auswirkungen der Katastrophe zu spüren. Die physikalischen Auswirkungen von Erdbeben und Tsunamis werden im Laufe der Zeit vergessen sein.. Das eigentliche Problem war die vom maroden AKW Fukushima Daiichi ausgehende Strahlengefahr. Von der Katastrophe schockiert haben wir den Betrieb des Restaurants nicht wieder aufgenommen, unsere Mitarbeiter sind in alle Windrichtungen verstreut. Manche sind zu ihren Eltern zurückgekehrt.
Wir hatten eine schwere Zeit. Anfangs haben wir jeden Morgen die Windrichtung ermittelt und Strahlen gemessen. Tagtäglich suchten wir nach sicheren Lebensmitteln; wenn möglich haben wir diese gereinigt, um nichts zu unterlassen, unsere Kinder vor Strahlen zu schützen. Wir erinnern uns an den letzten Sommer in Sendai, als wir aus Angst vor Strahlen bei 37 Grad feuchter Hitze trotz geschlossener Fenster und ohne Klimaanlage unser Haus nicht verließen. Wir hielten es für ein selbstverständliches Verhalten besorgter Eltern. Leute um uns herum waren jedoch sehr sorglos; sie meinten “wenn der Staat garantiert, brauchen wir uns doch keine Sorgen zu machen”, “wenn ihr so nervös seid, könnt ihr nichts tun und nichts essen.”, “irgendwann müssen wir alle sterben, bis dahin kann man doch Spaß haben” und andere unverantwortliche Dinge.
Wir hielten es für unsere wichtigste Pflicht, unsere wehrlosen Kinder zu schützen, doch das konnte man in Japan nicht mehr. Wir beschlossen, das Land zu verlassen. Wir haben schon immer Deutschland geliebt. Da es in Tohoku (Nordjapan) jeden Tag Nachbeben gab und wir nicht mehr sicher waren, packten wir unsere Sachen und kamen nach Deutschland, das den Atomausstieg erklärt hat. Viele Landsleute, die in Japan geblieben sind, baten uns, ihnen Lebensmittel aus Deutschland zu schicken.
Wir genießen es jetzt, ohne Maske ins Freie gehen und tief durchatmen zu können. Wir haben sicheres Gemüse und viele Leute haben uns geholfen. Unser Leid wurde durch die Freundlichkeit und Lächeln der deutschen Bürger gemildert. Dafür, dass wir hier sein können, empfinden wir jeden Tag tiefe Dankbarkeit. Vielen herzlichen Dank.
lch denke, dass ich meinen Eltern und Geschwistern und vielen Leidenden, die in Tohoku geblieben sind, etwas schuldig btn.70% aller Japaner wünschen den Atomausstieg. Ich hoffe, dass unsere Bitte aus Deutschland sie erreicht. Und diese Stimme soll immer lauter werden und Japan und die ganze Welt erreichen und zu einem grossen, nach Atomausstieg rufenden Strom werden. Das Verbot der AKWs sollte der Wunsch aller Menschen auf unserer Erde sein. Auch abgeschaltete Atomreaktoren benötigen eine sehr lange Abkühlungszeit. Abgebrannte Brennstäbe strahlen weiterhin Radioaktivität aus. Die Frage der Endlager ist ungeklärt. lmmer mehr Arbeiter der AKWs sind verstrahlt. Wenn die 54 AKWs Japans wieder in Betrieb gehen sollten, soll das Kühlwasser ins Meer abgelassen werden? Wissenschaftler prophezeien, dass wieder ein grosses Erdbeben Japan heimsuchen wird. Viele natürlichen erneuerbaren Energiequellen sind gut erforscht und einsatzbereit für den Alltagsgebrauch. Wir brauchen keine Atomkraft.
Für unsere Kinder, die auf dieser Erde leben sollen, betrachte ich es als unsere Pflicht, die Atomkraft abzuschaffen. Wir wollen aus der Atomkatastrophe von Fukushima lernen und unsere Energiegewinnung sicheren Methoden zuwenden. Sonst kann ich nicht in die Augen unserer Kinder schauen.
Was bedeutet der 11.3.2011 für uns?
Wir müssen auch an unsere nachkommenden Generationen denken. Solange es Atomkraft auf der Erde gibt, gibt es verstrahlte Arbeiter, Luft, Erde und Atommüll und Nuklearanlagen. Wir haben einige dunkle Geheimnisse ans Licht gebracht. Noch können wir unser Leben ändern und einen Beitrag leisten für die Wiedergeburt unseres schönen Planeten.